Wann gibtsn das bei uns?
"Street Legal" gegen illegale Rennen
Die Stadtregierung investierte rund 20.000 Euro in die Infrastruktur für legale Straßenrennen. Wenn in Lodz, der drittgrößten Stadt Polens, Autos mit 190 km/h über die großen Boulevards rasen und Polizisten dem ohrenbetäubenden Spektakel tatenlos zusehen, ist das kein Grund zur Sorge. Ganz im Gegenteil: Es handelt sich dabei um eine neue Strategie der polnischen Polizei, die damit den weit verbreiteten illegalen Straßenrennen ein Ende setzen will.
"Street Legal" nennen sich die monatlich stattfindenden Bewerbe, die - nicht nur geduldet, sondern organisiert von der Stadtpolizei - eine Alternative zu den illegalen nächtlichen Straßenrennen sein sollen, die Lodz jahrelang in Atem gehalten hatten.
"Den jungen Menschen die Hand reichen"
Die Idee zu der ungewöhnlichen Maßnahme stammt von Jaroslaw Woloszynski, dem Chef der örtlichen Polizeibehörde. Wie Woloszynski in der "International Herald Tribune" erklärte, habe er nach Jahren der vergeblichen Versuche, die illegalen Rennen einzustellen, beschlossen, "den jungen Menschen die Hand zu reichen".
Das erste legale Rennen fand bereits 2004 statt, der Erfolg war jedoch mäßig. Nur wenige junge Polen ließen sich durch die nur einmal jährlich angesetzte Veranstaltung von den illegalen Rennen abbringen.
Kooperation mit der Szene
Also griff die Polizei zu weiteren Maßnahmen, kooperierte sowohl mit Mitgliedern der illegalen Rennszene als auch mit dem staatlichen Autofahrerklub und stellte jetzt eine zweite, monatlich stattfindende Version der legalen Rennen auf die Beine.
20.000 Euro investierte die Stadtregierung dabei in die Zeitmessung. Die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Rennstrecke wurden verschärft. Feuerwehr und Rettung stellten ihre Dienste kostenlos zur Verfügung.
10.000 Zuschauer
Diesmal ging das Konzept auf. Rund 10.000 Menschen besuchen seitdem das monatliche Rennspektakel, bei dem hundert vorwiegend männliche Polen in getunten Kleinwagen, aber auch Audis und BMWs über die abgesperrten Straßen der Stadt donnern - unter dem wachsamen Auge der Polizei.
Der Trend der polnischen Jugend zu Autos und Geschwindigkeit ist ein Phänomen, das eng mit dem Wirtschaftsboom der 80er Jahre zusammenhängt. Unter dem Kommunismus galt das Auto als Luxusgut, und selbst wer die nötigen finanziellen Mittel hatte, musste oft mit jahrelangen Wartezeiten für eines der Modelle - meist der Polski Fiat 126 - rechnen.
Vom Luxusgut zum Alltagsgegenstand
Erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, der Markterweiterung durch den EU-Beitritt und höheren Einkommen änderte sich die Situation, und das Auto wurde zum Alltagsgegenstand der jungen Polen.
Während 1990 noch rund neun Millionen Autos auf den Straßen Polens unterwegs waren, waren es 2006 bereits 18 Millionen. Die Infrastruktur blieb jedoch weit hinter diesen rasanten Entwicklungen zurück. Experten beklagen außerdem, dass es für rennbegeisterte Polen kaum Möglichkeiten gebe, ihren Sport organisiert auszuüben.
Bestes Beispiel: Robert Kubica, polnischer Formel-1-Fahrer und Idol vieler Jugendlicher, musste nach Italien auswandern, um geeignete Trainingsmöglichkeiten zu finden.
Als "Storm Riders" über die Straßen
Viele Rennbegeisterte wenden sich daher den Straßenrennen zu, gründen Gruppen mit Namen wie "Storm Riders" und "Night Crazy Drivers" und rasen ohne jegliche Sicherheitsmaßnahmen über die nächtlichen Straßen Polens.
Besonders Lodz hatte über Jahre hinweg mit diesem Problem zu kämpfen. Oft fanden bis zu vier der lebensgefährlichen Rennen pro Woche statt - seitens der Polizei war man machtlos. Aufpasser warnten das Starterfeld vor Polizeistreifen, die Fahrer konnten daraufhin in Sekundenschnelle flüchten.
Erste Erfolge
Die neuen, unkonventionellen Maßnahmen in Lodz sollen hier nun endgültig Abhilfe schaffen. Seitens der Polizei verweist man bereits auf erste Erfolge: Seit dem Einführen von "Street Legal" soll die Teilnahme bei illegalen Rennen nach eigenen Schätzungen um 80 bis 90 Prozent gesunken sein.
In der illegalen Rennszene spricht man zwar von weiterhin stattfindenden regelmäßigen Rennen bei Nacht - doch die legale Variante findet mehr und mehr Zuspruch.
Landesweit wird Lodz für sein Rennspektakel - das erste dieser Art in Europa - beneidet, denn die Teilnahme an "Street Legal" ist ausnahmslos den Stadtbewohnern vorbehalten.